Rückblick Herbstsession 2022
23. September 2022 – verfasst von Grossrat Matthias Matti
Zum zweiten Mal trafen wir uns in der neuen Zusammensetzung anlässlich der Herbstsession im Rathaus. In der Sommersession wurde ich zum Ausschussleiter der Geschäftsprüfungskommission gewählt, welche die Aufsicht über die Sicherheitsdirektion und die Gesundheitsdirektion innehat. Im Ausschuss sind wir gut gestartet, haben die Mehrjahresplanung aktualisiert. Über fehlende Geschäfte können wir uns auch nicht beklagen. Seit Beginn der Legislatur amte ich ebenfalls als Vizefraktionspräsident der Mitte und darf so die Geschäfte der Fraktion mitgestalten.
Auch vor dieser Session wurden wir mit 972 Seiten zu den Traktanden und weiteren 190 Seiten zu den Wahlen bedient, welche vorbereitet werden müssen. An zwei Tagen Fraktionssitzungen werden diese einzeln vorbesprochen und zusammen wird eine Fraktionsmeinung gebildet. Während der Session ist jeder Grossrat frei, seine Meinung zu äussern und gibt ohne Instruktion seine Stimme ab. So sieht es das Grossratsgesetz des Kantons Bern vor: „Grossratsmitglieder beraten und stimmen ohne Instruktionen“.
Die Wichtigkeit der Geschäfte zeigt sich rasch an der Rednerliste. Füllt sich diese explosionsartig, so steht bestimmt ein sehr wichtiges Geschäft an. So an dieser Session z.B. bei der Motion, welche die Anpassung der Anstellungsvoraussetzungen bei der Polizei für Personen ohne Schweizerpass verlangte. Knapp setzte sich hierbei die bürgerliche Mehrheit durch. So ist es auch zukünftig nur für Personen möglich, die Gesetzgebung im Namen des Staates durchzusetzen, die sich zu unseren Werten bekennen und somit Schweizer Bürger/innen sind oder mittels Einbürgerung das Bürgerrecht erlangt haben.
Für Die Mitte, mit ihren Kernthemen Bildung, Gesundheit sowie Wohnen und Arbeiten war die vergangene Session positiv – so wurde unter anderem der Kredit für die Sanierung des Gymer Thun, des Campus Bern sowie der Uni genehmigt. Die Motion von Grossrat Riem zur Wasserkraft wurde überwiesen und die wichtigen Geschäfte der Finanzdirektion konnten ohne grossen Widerstand ins Trockene gebracht werden.
Wasserkraft-Strategie
Eine Motion der Mitte verlangt eine Wasserkraft-Strategie vom Kanton. Grundlage einer zuverlässigen Stromproduktion und für den Ausbau der Kapazitäten sind möglichst sichere Investitions- und Produktionsbedingungen. Das Anliegen ist für die erneuerbare Energiegewinnung im Kanton von grosser Bedeutung. Der Grossrat ist gleicher Meinung und unterstützt 6 von 7 Punkten dieses Vorstosses einstimmig.
Fraktionsausflug
Alljährlich unternehmen die Fraktionen einen Ausflug in eine Region des Kantons Bern. Für die Mitte ging es ins Berner Oberland. Wir besichtigten das BEO Biomassenzentrum in Spiez und liessen uns in Mitholz durch das VBS und die Gemeinde über das Projekt „Räumung der Munitionsanlage“ informieren. Beide Besichtigungen stiessen auf grosses Interesse und gaben einen Einblick in sehr interessante Projekte. Energie aus Biomasse ist ein hoch aktuelles Thema und trägt einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung bei. Aus Grünabfall Energie für die naheliegenden Wohn- und Industriegebiete zu gewinnen ist vorbildlich und zeigt deutlich, was heute und in Zukunft möglich ist. In Mitholz wurde die Delegation vom Gemeindepräsidenten Roman Lanz und seitens VBS von Adrian Goetschi empfangen. Aus erster Hand zu erfahren, was ein solches Projekt für die Verantwortlichen aber auch für die Betroffenen vor Ort bedeutet und welche Einflüsse das Vorhaben auf eine kleine Gemeinde wie Kandergrund hat, waren sehr eindrücklich.
„Herrenloses Land“ oder Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB)
In solchen Fällen hilft auch mir als Grossrat nur Wikipedia weiter: „Territorien und Sachen sind herrenlos, wenn sie niemals einen Herrscher, Eigentümer oder Besitzer hatten, oder wenn die Herrschaft darüber aufgegeben wurde. Mit der Okkupation einer Sache oder eines Territoriums ohne Regierung bzw. Herrscher endet die Herrenlosigkeit“. Man könnte nun meinen, dass genau letzteres passiert ist, der Kanton Bern hat sich mittels Änderung des obgenannten Gesetzes das herrenlose Land aneignen wollen. So schlimm war es wohl nicht gemeint, der Gesetzesänderung wurde von der Regierung und der zuständigen Kommission wohl zu wenig Beachtung geschenkt. Grossräte haben einen Rückweisungsantrag gestellt. Bevor über die Gesetzesänderung abgestimmt werden kann, müssen die 15 betroffenen Gemeinden angehört werden und die Konsequenzen aufgezeigt werden. Heute stehen Bergbahnen auf herrenlosem Land aber auch Tiere weiden auf herrenlosen Flächen. Unseres Erachtens müssen die Konsequenzen ersichtlich und der Besitzstand garantiert sein. Der Rückweisung wurde mit grossem Mehr zugestimmt.
Steuergesetzrevision
Seit Jahren setzt sich die Mitte für die Förderung der erneuerbaren Energien ein. Es ist höchste Zeit, dass mit dieser Revision auch die steuerlichen Lücken geschlossen werden. Demnach sollen die Solaranlagen keine Auswirkung auf den amtlichen Wert haben und es soll nur der Anteil des produzierten Stroms versteuert werden, welcher auch tatsächlich verkauft wird. Ein Anliegen der Mitte konnte so im Gesetz verankert werden.
Schuldenbremse
Das Instrument der Schuldenbremse hat sich sehr bewährt, der Kanton Bern konnte seine Finanzen damit einigermaßen ins Lot bringen. Zudem hat sie sich während der Pandemie durchaus als „krisentauglich“ bewiesen. Die Schuldenbremse soll nicht aufgeweicht, sondern flexibilisiert werden. Zukünftig sollen sowohl in der Erfolgsrechnung als auch in der Investitionsrechnung die Ausgabenüberschüsse oder die Investitionen, die der Schuldenbremse unterliegen, auf 5 statt 4 Jahre verrechnet werden können. Die Mehrheit folgte hierbei dem Antrag der Kommissionsmehrheit wie auch der Regierung.
Nach der zweiten Session in der neuen Legislatur kann festgehalten werden, dass die Mehrheitsverhältnisse nur noch knapp bürgerlich geprägt sind und kleinste Verschiebungen in der Mitte das Resultat auf die eine oder andere Seite beeinflussen. Die Position und Wichtigkeit der Mitte als Mehrheitsbringer ist in der neuen Zusammensetzung noch einmal gewachsen.
Matthias Matti, Grossrat, Die Mitte